Die Situation in der Ostzone São Paulos
Etwa 3,3 Millionen Menschen leben in der Ostzone São Paulos, also 33 Prozent der Stadtbevölkerung der Megacity.
Der durchschnittliche Human Development Index (HDI), der nicht nur das Bruttoinlandprodukt (BIP) und dessen Verteilung, sondern auch die Lebenserwartung und den Bildungsgrad der Bevölkerung berücksichtigt, liegt hier bei 0,478. In Deutschland beträgt er im Vergleich dazu 0,90.
Die wirtschaftlich aktive Bevölkerung, die in der Ostzone lebt, besteht aus 1.704.858 Menschen, die insgesamt 31 Prozent der Arbeitskräfte in São Paulo ausmachen. Schätzungsweise 904.089 Arbeitslose zählt die Megacity. 358.282 davon, also 40 Prozent, leben in der Ostzone.
Unter den Menschen der Region, die in regulären Beschäftigungsverhältnissen stehen, sind 33 Prozent im verarbeitenden Gewerbe und 41 Prozent im Dienstleistungssektor, beispielsweise als Gärtner, Portier, Hausmädchen oder Putzfrau, tätig.
In dieser Region befindet sich das Stadtviertel São Mateus, das sich in einer prekären Situation befindet.
Wie ist die Partnerschaft zwischen STÄDTE OHNE HUNGER und dem Energieversorger Eletropaulo (heute Enel) entstanden und wo liegt der Bezug zum Projekt Gemeinschaftsgärten von STÄDTE OHNE HUNGER?
Seit vielen Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen STÄDTE OHNE HUNGER und dem Energieversorger Eletropaulo (heute Enel), in dessen Zuständigkeit die Stromversorgung São Paulos fällt. Das Unternehmen betreibt Hochspannungsleitungen, die verschiedene Regionen der Stadt durchqueren und die Metropole mit Strom versorgen. Diese Hochspannungsleitungen befinden sich auf städtischem Land, das von Mauern umgeben ist.
Das jeweilige Areal um eine Hochspannungsleitung ist in der Regel 30 Meter breit und – von einer Straße zur anderen – 250 bis 300 Meter lang. Der Zugang ist kontrolliert und begrenzt. Die Flächen dürfen nicht bebaut werden. Um jedwede Gefahr für das Stromnetz zu vermeiden und die Sicherheit der Anwohner zu garantieren, ist auch die Nutzung als Freizeitfläche (Fußball- oder Spielplatz etc.) untersagt.
Die landwirtschaftliche Nutzung ist erlaubt und erwünscht, da hierdurch kein Risiko für das Netzwerk entsteht. Zudem verhindert die kontrollierte landwirtschaftliche Nutzung eine irreguläre Bebauung (Favelas) und das Entstehen von Müll- und Schuttabladeplätzen, die Mückenbrutplätze begünstigen und damit ein hohes Gesundheitsrisiko (Dengue, Chycungunha und Gelbfieber) bergen. In diesem Zusammenhang geht es auch darum, der Umweltzerstörung durch besagte Abladeplätze entgegenzuwirken.
Darüber hinaus haben die Energieversorgungsunternehmen inzwischen erkannt, wie wichtig es ist, den städtischen Raum für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung zu stellen, um Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.
Über diese städtischen Räume wird eine Nutzungsvereinbarung zwischen STÄDTE OHNE HUNGER und dem Energieversorger geschlossen. Die in der Regel über einen Zeitraum von fünf Jahren festgeschriebene Nutzungsvereinbarung kann jederzeit unkompliziert verlängert werden.
STÄDTE OHNE HUNGER war eine der ersten sozialen Organisationen, die mit den Energieversorgern die Nutzung dieser Flächen zum Aufbau städtischer Gemeinschaftsgärten verhandelt hat. In den ersten Jahren zogen sich diese Verhandlungen in die Länge, da die Energieversorgungsgesellschaften bis zu diesem Zeitpunkt diese Art der Nutzung nicht vorsahen und keine standardisierten Konzessionen existierten.
All dies erarbeiteten Eletropaulo (heute Enel) und STÄDTE OHNE HUNGER gemeinsam. Demensprechend gestalten sich diese Verhandlungen heute recht unkompliziert und Nutzungsvereinbarungen sind schnell geschlossen.
Wie ist das Gemeinschaftsgartenprojekt São Mateus entstanden, welchen Umfang und welche Schwerpunkte hat es?
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen Eletropaulo (heute Enel) und STÄDTE OHNE HUNGER hat der Energieversorger STÄDTE OHNE HUNGER ein Areal von mehr als 30.000 Quadratmetern (3 Hektar) zur Entwicklung neuer Projekte der städtischen Landwirtschaft auf Flächen unterhalb von Hochspannungsleitungen übergeben. Ein entsprechender Nutzungsvertrag für Gemeinschaftsgärten wurde bereits unterzeichnet.
Die im Stadtbezirk São Mateus gelegene Fläche ist in drei Bereiche, die ineinander übergehen, unterteilt und wird – nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe – zu einem Leuchtturmprojekt städtischer Landwirtschaft werden.
Arbeitsplätze, Einkommen, Nahrungssicherheit: All dies beginnt mit einem Garten.
Auf dem Areal in São Mateus entsteht ein nachhaltiges Projekt der Hilfe zur Selbsthilfe. Gesunde Lebensmittel werden auf der Basis ökologischer Landwirtschaft von zu qualifizierenden Gemeinschaftsgärtnern angebaut. So erhalten Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen keine Chance haben, Einkommen generierende Arbeitsplätze und eine Perspektive.
Für das Projekt Gemeinschaftsgärten São Mateus wurden neue Modelle zur Verarbeitung und Vermarktung der in diesen Gärten angebauten Erzeugnisse erarbeitet, die als Pilotprojekte umgesetzt werden.
Die Innovation wird darin bestehen, den bekannten und seit über zehn Jahren sehr erfolgreichen Gemeinschaftsgärten eine neue, zeitgemäße Ausrichtung zu geben.
STÄDTE OHNE HUNGER wird die Gemeinschaftsgärten in São Mateus stärker als zuvor als „Social Business“ anlegen und dabei die lokalen Möglichkeiten und die sozialen Anforderungen der Megacity São Paulo einbeziehen und nutzen. Diese innovative Art der Schaffung städtischer Sozialunternehmen generiert lokale Vermögenswerte und fördert die Entwicklung von Strategien zur Eingliederung sozialer Randgruppen.
Wie identifiziert STÄDTE OHNE HUNGER die Projektteilnehmer für das Projekt Gemeinschaftsgärten?
– mit konkreten Bezügen zum Gemeinschaftsgartenprojekt São Mateus
Im erste Schritt identifiziert STÄDTE OHNE HUNGER Nachbarschaften und Zielgemeinschaften, die durch das Projekt Gemeinschaftsgärten profitieren.
Nach der Auswahl der zwei neuen Bereiche in São Mateus, in denen das Projekt Gemeinschaftsgärten durchgeführt werden soll, kam ein von STÄDTE OHNE HUNGER entwickelter, einfacher Fragebogen zum Einsatz, um potentielle Projektteilnehmer zu identifizieren und die dringendsten Bedürfnisse der Menschen, die in diesem Bereich leben, abzufragen.
Der Fragebogen wurde im Rahmen einer Haus-zu-Haus-Befragung eingesetzt. Dieser Ansatz bietet neben der Gewinnung konkreter Ergebnisse zur Situation der Nachbarschaft die Möglichkeit, die Menschen vor Ort über das Projekt, seine Ziele und seine Umsetzung zu informieren. Die Befragung geschieht jeweils anonym, denn es hat sich über die Jahre herausgestellt, dass die Befragten ihre Situation, ihre Bedürfnisse und ihre Ziele in diesem Setting klarer kommunizieren.
Die Kernfragen beziehen sich auf die Rahmenbedingungen der Familie und ihre Ernährungssituation. So wird beispielsweise gefragt, ob es einen Arbeitslosen in der Familie gibt, woran akuter Bedarf besteht, welcher Anteil des Familieneinkommens pro Monat für Nahrungsmittel ausgegeben wird, wie viele Mahlzeiten die Familie pro Tag zu sich nimmt und wie viel Gemüse pro Tag verbraucht wird. Schließlich werden die Familien zu ihren größten Schwierigkeiten befragt und um ihre Einschätzung gebeten, was die Menschen in der Nachbarschaft am dringendsten benötigen.
Die Antworten im Stadtviertel São Mateus waren nahezu einstimmig: Die meisten Befragten führten an, dass der größten Bedarf der Nachbarschaft in den Bereichen Arbeit und Nahrung liege. In mehreren Fällen wurde STÄDTE OHNE HUNGER mitgeteilt, dass die meisten Kinder ausschließlich in den Schulen essen würden. Öffentliche Schulen bieten den eingeschriebenen Schülern kostenlose Mahlzeiten an, was zu einer geringen Schulabbrecher-Quote führt. Gleichzeitig bedeutet dies erfahrungsgemäß, dass die Eltern der Kinder anstelle gesunder gemeinsamer Mahlzeiten nahezu ausschließlich Snacks von geringem Nährwert zu sich nehmen.
Wie wird die Nachbarschaft in die Planung von Gemeinschaftsgärten einbezogen?
Nachdem STÄDTE OHNE HUNGER die Bedürfnisse der gartennahen Anwohner des Stadtviertel São Mateus identifiziert hatte, trafen sich die STÄDTE OHNE HUNGER-Verantwortlichen mit Mitgliedern der lokalen Stadtverwaltung und baten um Unterstützung bei der Mobilisierung der Anwohner und der Schaffung einer Plattform für alle Akteure, um das geplante Gemeinschaftsgarten-Projekt in diesem Rahmen zu diskutiert und gemeinsam zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang stellte sich heraus, dass viele sozial benachteiligte Anwohner aufgrund unerfüllter Versprechungen skeptisch gegenüber Infrastrukturmaßnahmen der Stadtverwaltung waren und gemeindegeführten Projekten zur Verbesserungen der Situation im Stadtviertel kritisch gegenüberstanden.
Das Projekt Gemeinschaftsgärten von STÄDTE OHNE HUNGER hingegen stieß auf großes Interesse und eine hohe Akzeptanz unter den Anwohnern. Nachdem die geplanten Gemeinschaftsgärten den politisch Verantwortlichen vorgestellt worden waren, wurden weitere Akteure des Stadtviertels dazu eingeladen, sich zu beteiligen, Ideen zu präsentieren und Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Weise alle Akteure des Stadtbezirks am besten in die Projektplanung einbezogen werden können.
Auch in diesem Kontext präsentierte STÄDTE OHNE HUNGER das Gesamtprojekt und seine Ziele. Zunächst wurden die Ergebnisse der Bedarfsanalyse des Bezirks São Mateus als Referenz für die Notwendigkeit eines Lebensmittelproduktionsprojekts erläutert.
Gemeinsam mit den Akteuren des Stadtbezirks, die auch eigene Themen in die Diskussion einbrachten, wurden wesentliche Aspekte des Gesamtprojekts erörtert, wie die Legalisierung der Flächen, die Notwendigkeit der Anschaffung von Material und Werkzeugen, der Wasserverbrauch des Projekts, die Projektbegleitung und das technische Follow-up durch STÄDTE OHNE HUNGER, der Auswahlprozess und die Ausbildung von Gemeinschaftsgärtnern, die Projektkosten und-fristen, die Beteiligung der Anwohner, das Einwerben von Finanzmitteln, die anzupflanzenden Sorten sowie deren Vorort-Vermarktung.
Auf Basis der gewonnenen Informationen sowie der Forderungen und Wünsche, die durch die Akteure kommuniziert worden waren, hat STÄDTE OHNE HUNGER das Projekt Gemeinschaftsgärten São Mateus umsetzungsfähig gemacht.
Wie wird dafür gesorgt, dass die Gemeinschaftsgärtner als Projektteilnehmer im Projekt bleiben und wie werden die Gärten gemanagt?
Ausgangspunkt für das Projekt Gemeinschaftsgärten ist es, in den jeweiligen Nachbarschaften Menschen zu identifizieren, die bereits landwirtschaftliche Erfahrungen besitzen, mit Gemüseanbau vertraut sind oder zumindest eine Grundaffinität dazu aufweisen. Auch Menschen, die gern kochen und Vorerfahrungen oder Interesse am Verkauf von (landwirtschaftlichen) Produkten mitbringen, sind gefragt. Ebenso werden Menschen aus der Nachbarschaft der Gärten gebraucht, die sich in ihrem Stadtbezirk auskennen und dort gut vernetzt sind. Letztere können wertvolle Hinweise für die beste Nutzung der Flächen und Hinweise bezüglich der Hauptprobleme der Bewohner des jeweiligen Stadtviertels geben.
Der beschriebene Prozess trägt zu einem Gemeinschaftsgefühl bei, von dem das Gesamtprojekt profitiert: STÄDTE OHNE HUNGER als Projektentwickler und umsetzende Organisation gewinnt wichtige Informationen. Die Nachbarschaft selbst wird gehört und ist an einem Projekt beteiligt, das einen unmittelbaren Nutzen für die Bewohner hat, da es durch sie geprägt ist.
Ziel des Projekts Gemeinschaftsgärten ist es, durch nachhaltige Agrarprojekte auf der Basis ökologischer Landwirtschaft Arbeitsplätze und Einkommen für die Projektbeteiligten zu schaffen und so zur sozialen Eingliederung gesellschaftlicher Randgruppen beizutragen. Gleichzeitig sollen Orte der Begegnung geschaffen werden, die die Gemeinschaft im Stadtviertel stärken.
In jedem städtischen Gemeinschaftsgarten wird ein lokales Verwaltungsorgan geschaffen. Der lokale Manager bzw. die lokale Managerin, der/die von den Projektbeteiligten im jeweiligen Gemeinschaftsgarten gewählt wird, nimmt folgende Aufgaben wahr: Projektmanagement (Planung und Umsetzung des Projekts mit den übrigen Gemeinschaftsgärtnern), Einbindung der Nachbarschaft (um Diebstahl und Vandalismus zu verhindern), Messung der Ergebnisse (Ertrag/Verkauf), um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Projekts zu gewährleisten.
Der lokale Manager wird von STÄDTE OHNE HUNGER für diese Aufgabe gesondert geschult, über den Projektzeitraum engmaschig begleitet und unterstützt. So werden mit dem Manager bei konkreten Problemstellungen Lösung entwickelt. Zudem findet ein regelmäßiger Austausch zu Möglichkeiten der Verbreitung und Ausweitung der Aktivitäten statt.
Wie erfolgt die Qualifizierung der Gemeinschaftsgärtner und welche Schwerpunkte hat sie?
Die Qualifizierung der Gemeinschaftsgärtner besitzt einen hohen Stellenwert. Die Schwerpunkte des Qualifizierungsprogramms liegen im kaufmännischen und im landwirtschaftlichen Bereich: Im Sinne eines erfolgreichen und nachhaltigen Betriebs des jeweiligen Gemeinschaftsgartens wird mit einfachen Kontroll- und Managementwerkzeugen gearbeitet, die im Rahmen der Qualifizierungsworkshops eingeführt werden.
Für die Gemeinschaftsgärten werden Tabellen, in denen die in den jeweiligen Gärten angebauten Produkte aufgelistet sind, ausgedruckt und an die Projektteilnehmer verteilt. In dieser Tabelle wird die Menge der verkauften Erzeugnisse und der durch den Verkauf eingenommene Betrag tagesaktuell angeben.
Auf diese Weise erhält der Gemeinschaftsgärtner am Ende des Tages einen genauen Überblick darüber, welche Erzeugnisse er in welcher Menge verkauft hat und welchen Betrag er eingenommen hat. Auch die Ausgaben werden tagesaktuell erfasst.
Die Vermittlung von Verkaufs- und Vermarktungstechniken sowie weitere Management-Tools sind ebenfalls Bestandteile des kaufmännischen Moduls.
Im Rahmen der landwirtschaftlichen Qualifizierung erlernen die Gemeinschaftsgärtner die korrekte Verwendung von Saatgut und Setzlingen, den Umgang mit Bio-Düngemitteln und organischen Pflanzenschutzmitteln. Auch der regelmäßige Beetwechsel nach jeder Ernte, der die Bodenqualität langfristig sicherstellt, wird vermittelt, ebenso wie Techniken zur Minimierung des Wasserverbrauchs und ein profundes Wissen über den ökologischen Anbau.
Workshops zu Lebensmittelhygiene werden veranstaltet. Außerdem werden Techniken zur Produktion von natürlichem Saatgut und/oder Kreolen sowie der Kompostierung vorgestellt.
Die Projektteilnehmer werden zudem dazu ermutigt, an Messen und Kongressen teilzunehmen, um sich über Programme der städtischen Landwirtschaft auch in anderen Regionen zu informieren. Außerdem werden sie dazu eingeladen, an Vorträgen und Veranstaltungen teilzunehmen, die sich mit dem Thema Lebensmittelproduktion im städtischen Raum beschäftigen.
Wie viele Menschen werden konkret von den Gemeinschaftsgärten São Mateus profitieren?
→ Auf den drei Flächen werden im ersten Schritt 10 Gemeinschaftsgärtner pro Fläche, also insgesamt 50 Gemeinschaftsgärtner, in Arbeit kommen.
Im Rahmen der Weiterentwicklung der Pilotprojekte ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl weiter erhöht.
→ Mit den 50 Gemeinschaftsgärtnern profitieren auch ihre Familien, so dass der Lebensunterhalt von 275 Personen gewährleistet ist.
Dieser Wert beruht auf Daten des IPGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística), das davon ausgeht, dass eine Familie in der Zona Leste von São Paulo durchschnittlich aus 5,5 Personen besteht.
→ Zur kaufmännischen und landwirtschaftlichen Qualifizierung der Gemeinschaftsgärtner werden 13 Kurse zu unterschiedlichen Themen aus beiden Bereichen durchgeführt.
Zwei wegweisende Pilotprojekte im Bereich Vermarktung in den Gemeinschaftsgärten São Mateus
Bislang werden alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse in den Gemeinschaftsgärten frisch geerntet und unverarbeitet vor Ort verkauft.
Pilotprojekt Minimal verarbeitetes Bio-Gemüse
Auf der Grundlage von Verbraucherwünschen wurde für die neuen Flächen in São Mateus das Pilotprojekt Minimal verarbeitetes Bio-Gemüse entwickelt. Dieser neue Ansatz trägt veränderten Verbrauchergewohnheiten Rechnung. Gleichzeitig bietet er den Vorteil, eines gesunden, ökologisch angebauten, natürlichen Erzeugnisses, das dem globalen Trend der gesunden Ernährung entspricht:
Die Projektbeteiligten können ihren Produkten einen Mehrwert hinzufügen, indem sie ihre Erzeugnisse minimal verarbeiten. Gemüse, das bereits gewaschen, geschält, geschnitten und portioniert wurde, bietet Verbrauchern, diese Produkte kaufen, mehr Komfort.
Minimal verarbeitetes Gemüse durchläuft nicht den Prozess der Nahrungsmittelindustrialisierung. Der Begriff „minimal“ wird gerade deshalb verwendet, weil das Gemüse einem vereinfachten Produktionsprozess unterzogen wird, bei dem alle Aspekte und Eigenschaften des natürlichen Erzeugnisses erhalten bleiben. Gleichzeitig erhält der Endkunde im Gartenumfeld ein Produkt, das bequem und praktikabel unmittelbar zum Verzehr bereit ist.
Für die institutionelle Öffentlichkeit (Restaurants, Schulen, Krankenhäuser usw.) ergeben sich unter anderem folgende Vorteile: Arbeitsverringerung, Wassereinsparung, Senkung der Lagerkosten und Einsparungen bei der Abfallentsorgung.
Die Unternehmer, also die Gemeinschaftsgärtner als Erzeugergemeinschaft und Verarbeitungseinheiten, können durch diesen neuen Ansatz den Gesamtverkaufswert gegenüber den unbearbeiteten Produkten um den fünffachen Wert steigern.
STÄDTE OHNE HUNGER ist mit Restaurants, Snackbars und Bäckereien, die sich in der Nähe der Gemeinschaftsgärten befinden, im Gespräch. Gourmet-Restaurants, die auf veganes und/oder Bio-Küche spezialisiert sind, haben ebenso wie die bislang eher konventionell ausgerichteten Bäckereien und Snackbars Interesse am Kauf von Produkten aus den Gemeinschaftsgärten und einer Partnerschaft gezeigt.
Dementsprechend hat STÄDTE OHNE HUNGER die Machbarkeit derartiger Partnerschaften, die eine Lieferung von Bio-Produkten aus den Gemeinschaftsgärten einschließen, untersucht:
Bislang betrug das durchschnittliche Einkommen der Projektteilnehmer R$ 1.200 pro Monat (€ 274). Damit liegt selbst das durchschnittliche Einkommen über dem aktuellen monatlichen Mindestlohn in Brasilien R$ 954,00 [1] (€ 217), den im Jahr 2017 44,5 Millionen Brasilianer erhielten.
Allerdings erwirtschaften Zweidrittel der Gemeinschaftsgärtner ein höheres Einkommen. Bei Gemeinschaftsgärtnern mit größeren Produktionsflächen in Nachbarschaften mit höherer Kaufkraft (Peripherie versus Favela) kann das monatliche Einkommen R$ 1.800 (€ 411) übersteigen.
Gemeinschaftsgärten verringern die Ernährungsunsicherheit in den teilnehmenden Haushalten, da der Zugang zu Nahrungsmitteln zunimmt – insbesondere zu frischen, nährstoffreichen Lebensmitteln. Menschen in Armut und vor allem deren Kinder sind die Hauptnutznießer. Sie profitieren stark von der Nahrungsmittelverfügbarkeit für den Eigenbedarf und von den Einnahmen aus dem Verkauf der Erzeugnisse des Gartens. Die meisten armen Familien geben 60-80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Gemeinschaftsgärtner können diese Ausgaben auf 20-30 Prozent senken.
[1] Siehe http://salariominimo2016.org/salario-minimo-2016/.
Pilotprojekt Neue Vermarktungswege
Vermarktung über UBER
Über UBER vermarktet STÄDTE OHNE HUNGER seine Erzeugnisse im gesamten Stadtgebiet. Angekündigt wird diese Vermarktung über Facebook.
Dort wird eine WhatsApp-Rufnummer angegeben, über die die Vermarktung organisiert wird:
- Über WhatsApp wird die Liste der Erzeugnisse unter Angabe der Preise kommuniziert.
- Der Endkunde bestellt daraufhin seine Produkte.
- Dem Endkunden wird der Endpreis (Lebensmittelbeutel + UBER-Kosten) übermittelt, den er überweist.
- Die Auslieferung erfolgt.
Viele Kunden leben in größeren Hochhauskomplexen, sogenannten condomínios. Häufig sind die Bewohner dieser Hochhauskomplexe bereits untereinander per WhatsApp verbunden. So schließen sich in vielen Fällen Bewohner auch bei der Lebensmittellieferung zusammen, was die Kosten für den einzelnen Besteller reduziert.
Insbesondere in Zeiten der Krise hat sich diese Bestellform für beide Seiten bewährt: Sie bedeutet Sicherheit für Landwirte und Besteller, eine verlässliche Belieferung für die Besteller und eine regelmäßige Einnahmequelle für die Landwirte.
Zudem steigert diese Art der Vermarktung die Bekanntheit von STÄDTE OHNE HUNGER im gesamten Stadtgebiet.
Vermarktung über ein Ladengeschäft
Um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Projekts Gemeinschaftsgärten São Mateus zu gewährleisten, dessen Aufbau durch die Rotary Foundation mit Unterstützung deutscher und brasilianischer Rotary Clubs sowie durch andere Partnern finanziert wurden, ist STÄDTE OHNE HUNGER dabei, ein Ladengeschäft zu entwickelt, in dem die urbanen Landwirte ihre Erzeugnisse verkaufen können. Damit wird eine eigene Einnahmequelle für diese Flächen geschaffen. Für das Projekt GG1985436 soll also ein ‘Hortifruti’ aufgebaut werden, eine Verkaufsstruktur für die Erzeugnisse der Gärten, die sich in unmittelbarer Nähe im Viertel São Mateus an der Ostseite São Paulos befindet.Eine entsprechende Immobilie in der Rua Professor José Décio Machado Gaia 20-A wurde bereits angemietet. Informell wird das Geschäft bereits betrieben.
Die Immobilie muss allerdings umstrukturiert und saniert werden, damit diese den Kriterien und Standards entspricht, die durch die Stadt São Paulo, die Lebensmittelüberwachung und andere kommerzielle Aufsichtsbehörden gefordert werden.