Schulgärten fördern gesunde Ernährung und Umweltbewusstsein
Die Entstehungsgeschichte des Projekts
Die Grundstücke öffentlicher Schulen in den urbanen Ballungsräumen Brasiliens beziehungsweise der städtischen Peripherien sind häufig relativ groß. Bestehende Freiflächen werden meist jedoch nicht für spezifische Zwecke genutzt, sondern sorgen im Gegenteil für zusätzlichen Verwaltungsaufwand.
Gleichzeitig haben sich diese urbanen Räume zu sozialen Brennpunkten mit hoher Arbeitslosigkeit und entsprechend geringer Kaufkraft entwickelt.
Im Zuge einer Ausschreibung von Oi Futuro, dem Social Responsibility Institut des brasilianischen Telekommunikationsunternehmens, hat STÄDTE OHNE HUNGER ein Konzept zum Aufbau von Schulgärten auf dem Gelände öffentlicher Schulen entwickelt.
Vorausgegangen waren intensive Recherchen. So traf sich die Organisation mit Lehrern und Direktoren von in der Nähe von Gemeinschaftsgärten gelegenen Schulen und tauschte sich mit den Pädagogen über die Ernährungssituation der Kinder sowie die Vermittlung von Inhalten der Ernährungskunde, der Natur- und der Umweltbildung aus.
Die Umsetzung des durch Oi Futuro prämierten Konzepts erfolgte im Jahr 2012. So nahm das Projekt Schulgärten seinen Anfang.
STÄDTE OHNE HUNGER nutzt freie Flächen auf Schulgrundstücken und verwandelt diese in grüne Klassenzimmer
Das Projekt Schulgärten von STÄDTE OHNE HUNGER zielt auf eine sinnvolle Nutzung brachliegender Flächen auf dem Gelände öffentlicher Schulen durch das Anlegen von Schulgärten ab.
Der gemeinsame Anbau von Obst und Gemüse auf Schulgrundstücken stärkt zum einen den Kontakt zwischen Schülern, Lehrern und Anwohnern der umliegenden Bereiche, bei denen es sich nicht selten um Favelas handelt. Zum anderen werden Lebensmittel produziert, die den bedürftigen Familien in der Umgebung zugutekommen.
Schulgärten dienen im Unterricht als „Grünes Labor“ zur Vermittlung diverser Inhalte, speziell der Umweltbildung und Ernährungskunde. Der Garten bietet vielfältige Möglichkeiten für die praktische Umsetzung interdisziplinären Lernens und die Darstellung komplexer Sachverhalte. Durch die Verbindung von Theorie und Praxis wird der Lernprozess unterstützt.
Für den Grundschulunterricht bietet sich eine transdisziplinäre Herangehensweise an, die die Themenbereiche Umwelt, Gesundheit und Konsumverhalten miteinander verbindet. Die globale Perspektive und der historisch-soziale Kontext sollten hierbei einbezogen werden.
Zur erfolgreichen Bewirtschaftung eines Gartens braucht es Wissen um die jahreszeitlichen Rhythmen von Aussaat und Ernte, die Biologie der Pflanzen und des Bodens sowie um den Nährwert der pflanzlichen Erzeugnisse. Die Schüler erhalten die Möglichkeit, eigene Anbau-Workshops auszuarbeiten und so die Entwicklung ihrer Pflanzen hautnah zu erleben. Sie lernen gemeinsam von und mit der Natur.
Zahlreiche Analogien lassen sich beispielsweise im Biologieunterricht bilden: Bei der Erarbeitung der menschlichen Entwicklungsphasen können Parallelen zur Entwicklung der Pflanzen gezogen werden. Ihr volles Wachstums- und Entwicklungspotenzial kann eine Pflanze nur bei optimaler Nährstoffversorgung über den Boden ausschöpfen. Ähnliches gilt für die Ernährung des Menschen. Der Mathematikunterricht kann mit verschiedenen Anbaukulturen in Zusammenhang gebracht werden. Im Portugiesischunterricht können die Kinder die Bezeichnungen der Pflanzen praktisch einüben.
Die Agrartechniker von STÄDTE OHNE HUNGER führen die Schüler gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern in die Projektarbeit ein und unterstützen ihre Aktivitäten. Gartenarbeit bedeutet die Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten unter den Schülern. So wird das organisatorische Talent der Schüler ebenso gefördert wie ihre Fähigkeit zur Teamarbeit.
STÄDTE OHNE HUNGER setzt sich für Ernährungsunterricht an Schulen ein
Schlechte Ernährung ist im heutigen Brasilien nicht vom Einkommen abhängig. Ungesunde Essgewohnheiten sind in allen Gesellschaftsschichten weit verbreitet. Gesundheitliche Probleme, die aus falscher Ernährung resultieren, wie beispielsweise Anämie, Fettleibigkeit und verschiedene chronische Erkrankungen, betreffen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene.
Die Wahl der Nahrungsmittel beruht zum großen Teil auf erlernten Gewohnheiten. Die Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmittel hängt überwiegend davon ab, wie vertraut es dem Konsumenten ist.
Zieht man also in Betracht, dass sich die Ernährungsgewohnheiten zum größten Teil in Kindheit und Jugend ausbilden und im Erwachsenenalter nur schwer geändert werden können, nimmt die Schule hier zweifellos eine wichtige Rolle ein. Ernährungskunde ist dementsprechend bereits im frühen Kindesalter von fundamentaler Bedeutung.
In der Kindheit ist zudem die Neugier sehr ausgeprägt. Hierzu zählt auch die Freude am Entdecken neuer Lebensmittel, denn Vorurteile gegenüber unbekannten Speisen bestehen kaum. Folglich bietet sich genau diese Phase für das Erlernen gesunder Ernährungsgewohnheiten und eines entsprechenden Lebensstils an.
Aus diesem Grund setzt sich STÄDTE OHNE HUNGER in seinem Projekt Schulgärten für einen Ernährungsunterricht an Schulen ein, denn bislang kommen die Schulkinder – abgesehen vom häufig ungesunden Essen in der Mensa – nicht mit dem Thema Ernährung in Berührung.
Der Ernährungsunterricht nutzt Lebensmittel als pädagogisches Instrument. Gemeinsames Lernen und Essen erweitert den Akt der reinen Nahrungsaufnahme spielerisch und vermittelt umfangreiche Kenntnisse über Ernährung und Essgewohnheiten, Gesundheit und Umwelt und fördert gleichzeitig die Entdeckung der eigenen Küche und Kultur.
Somit leistet der von STÄDTE OHNE HUNGER unterstützte Ernährungsunterricht einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit und trägt zur Entwicklung einer nachhaltigeren Gesellschaft bei.
Schulgärten entwickeln sich zu Orten der sozialen Transformation
Schulgärten werden, so zeigt es die bisherige Erfahrung, zu einem Ort der Zusammenkunft und des Austauschs. Hierzu gehört auch der Dialog über Probleme jeglicher Art, die im Umfeld der in der Peripherie oder Favela gelegenen Schule auftreten.
Engagement für die eigene Nachbarschaft entsteht durch die bewusste Reflexion der lokalen Lebensverhältnisse. Hierzu ist wichtig, dass der einzelne Mensch Verantwortung übernimmt, passive Haltungen aufgibt und sich stattdessen aktiv mit seinen Erfahrungen und seiner Kreativität einbringt. Die integrative Struktur des Projekts Schulgärten stärkt die Stimme der Peripherie- oder Favelabewohner, die über das Projekt an der Gestaltung und Entwicklung ihres Lebensumfelds beteiligt sind.
Das bei der gemeinsamen Arbeit im Garten entstehende Verständnis füreinander und die Umwelt können die Schüler nach außen tragen. Sie erleben, dass sie etwas bewirken können und werden zu „Botschaftern der Transformation“ ihrer Nachbarschaft, indem sie diese aktiv mitgestalten.
Zugang zu gesunden Lebensmitteln für Schulkinder und deren Familien
Alle von STÄDTE OHNE HUNGER aufgebauten Schulgärten sind in der Peripherie von Ballungsräumen oder unmittelbar in Favelas gelegen. Diese Gebiete befinden sich in einer prekären Situation, die durch eine hohe Bevölkerungsdichte und Arbeitslosigkeit geprägt ist.
Mit dem Projekt Schulgärten möchte STÄDTE OHNE HUNGER den Zugang zu gesunden Lebensmitteln – unabhängig von der ökonomischen Situation der Familien – gewährleisten.
Das Projekt macht die Kinder mit vielen Obst- und Gemüsearten vertraut, die sie in der Schule essen und mit nach Hause nehmen können. Insofern profitiert die gesamte Familie vom Projekt.
Projekt Schulgärten fördert den nachhaltigen Umgang mit Natur und Umwelt
Der Erhalt der Umwelt als natürliche Lebensgrundlage des Menschen zählt zu den größten Herausforderungen der modernen Gesellschaft. Durch den immer schneller voranschreitenden Prozess der Urbanisierung verschwinden Grünflächen. Sie werden durch Betonbauten ersetzt und Kinder kommen immer weniger mit der Natur in Berührung.
Durch Umweltbildung in Grundschulen, die sich eine Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer wünschen, verstehen die Kinder frühzeitig wichtige Zusammenhänge und bilden ein entsprechendes Bewusstsein aus.
Genau hier setzt das Projekt Schulgärten an: Der nachhaltige Umgang mit Natur und Umwelt ist ein wichtiger Aspekt des Projekts, das eine neue, wissende Wertschätzung der natürlichen Umgebung und den daraus resultierenden Wunsch nach ihrem Erhalt vermitteln möchte.