Kleinbauernprojekt als nachhaltige Alternative zur Monokulturbewirtschaftung
Die Tabakindustrie in Rio Grande do Sul
Ab den 1980er Jahren gab es große Bemühungen seitens internationaler Tabakkonzerne die Bauern in der Region dazu zu bewegen, ihre bisherige Landwirtschaft auf den Anbau von Tabak umzustellen. Hohe Renditen sowie die Abnahme der gesamten Produktion wurden versprochen. Viele Landwirte folgten dem Aufruf der Konzerne und stellten ihre Landwirtschaft vollständig um.
Ökonomische Folgen für die Landwirte
Von diesem Zeitpunkt an mussten die Tabakbauern sämtliche Lebensmittel für den Eigenverbrauch im Supermarkt zukaufen. Hinzu kam die Belastung durch Kredite, die die Tabakkonzerne initial angeboten hatten, um den Anbau umzustellen und die täglichen Ausgaben bis zur Tabakernte zu bestreiten.
Bereits ab den 1990er Jahren ließen sich erste negative Folgen dieser Entwicklung feststellen. Ökonomisch wurde es für die Bauern immer enger. Die Landwirte nahmen Hypotheken auf ihre Häuser und Ländereien auf, um die laufenden Kredite zu tilgen. Heute sind viele Bauern, die in der Tabakindustrie arbeiten, hoch verschuldet und haben keine Aussicht darauf, ihre Lebensqualität zu verbessern.
Ökologische und gesundheitliche Belastungen mit Langzeitfolgen
Mit der Umstellung auf den Tabakanbau ergaben sich bald auch ökologische Probleme. Zur Trocknung des Tabaks werden große Mengen an Holz benötigt, das aus den umliegenden Wäldern stammt. Es kam zu großflächigen Rodungen und damit zu einem starken Rückgang der Waldflächen in der Region.
Wälder sind die artenreichsten Lebensräume weltweit. Von den 1,3 Millionen beschriebenen Tier- und Pflanzenarten leben etwa zwei Drittel im Wald. Wälder bieten Schutz vor Erosion, Lawinen und Überschwemmungen und regulieren als natürliche Wasserspeicher den Wasserhaushalt. Sie speichern etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs und enthalten 20 bis 50 Mal mehr Kohlenstoff in ihrer Vegetation als andere Ökosysteme.
Zusätzlich zu den ökonomischen und ökologischen Belastungen, mit denen sich die Region bis heute konfrontiert sieht, klagt die Bevölkerung, die stark in die Tabakproduktion eingebunden ist, über gesundheitliche Probleme.
Die langjährige Arbeit mit dem Tabak und der damit verbundene ständige Kontakt mit toxischem Nikotin hat die Krebsrate stark ansteigen lassen. Ebenso lassen sich in der Region auffallend viele Fälle von Missbildungen an Kindern feststellten.
Projektvoraussetzungen
Das im Jahr 2009 gestartete Kleinbauern-Projekt benötigt dieselben technischen Voraussetzungen wie das Projekt Gemeinschaftsgärten in São Paulo, das Projektvorbild. Seine Zielgruppe ist allerdings – im Vergleich zu den Projektinteressierten in São Paulo – im landwirtschaftlichen Bereich hoch qualifiziert. Dieser Aspekt bedeutet einen großen Mehrwert für das Kleinbauern-Projekt.
Zukunftsvisionen
Wie sich das Kleinbauernprojekt im ländlichen Raum perspektivisch entwickeln soll
Ziel des Projekts Kleinbauern im ländlichen Raum ist es, Landwirten in der Region um Agudo im Bundesstaat Rio Grande do Sul eine Alternative zur weit verbreiteten Monokultur Tabak zu bieten und so den ökologischen Anbau mit wechselnder Fruchtfolge zu stärken.
Gleichzeitig geht es, ebenso wie bei seinem Projektvorbild – dem Projekt Gemeinschaftsgärten von STÄDTE OHNE HUNGER – darum, die teilnehmenden Landwirte dabei zu unterstützen, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften und auf diese Weise finanziell unabhängig zu werden.
STÄDTE OHNE HUNGER plant – zusätzlich zu den aktuellen drei Projektteilnehmern Rüdiger Temp, Francisco de Assis Neto und Paula Neu – mindestens zehn weitere Landwirte einzubinden.
Hierzu schult STÄDTE OHNE HUNGER projekteigene Multiplikatoren, die über ihre eigenen Erfahrungen berichten und so wertvolle Entscheidungshilfe leisten können.
Jeder teilnehmende Landwirt soll beim Bau eines Gewächshauses und der Anlage eines Fischteichs unterstützt werden. Auf diese Weise soll unmittelbar eine zusätzliche Einkommensquelle geschaffen werden.
Ein wesentlicher Ansatz des Projekts ist die gemeinschaftliche Nutzung von Landmaschinen und Werkzeugen sowie die koordinierte Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse innerhalb des Kleinbauernprojekts.
So sollen auch Fahrzeuge gemeinsam angeschafft werden, mit denen die elf Städte, die in einem 100-Kilometer-Radius um Agudo herum gelegen sind, sinnvoll mit Bio-Produkten beliefert werden können.
Angedacht ist, dass ein Teil des Gewinns der Bauern in einen Fond eingezahlt wird, um das Projekt zeitnah auf weitere landwirtschaftliche Betriebe ausweiten zu können, ohne zusätzliche Gelder akquirieren zu müssen. Somit könnte sich das Projekt eigenständig finanzieren. Ein nachhaltiges Bestehen dieses Projekts der Hilfe zur Selbsthilfe wäre garantiert.
Zusätzlich hat es sich STÄDTE OHNE HUNGER zum Ziel gesetzt, ein Forschungszentrum in der Stadt Agudo einzurichten. Dieses soll eine Anlaufstelle für Wissenschaftler, Studenten und Freiwillige sein, die an landwirtschaftlichen Projekten, der Entwicklung neuer Methoden und Technologien in der Landwirtschaft, an ökologischem Landbau, Umweltforschung und landwirtschaftlicher Direktvermarktung interessiert sind.