Wie ein Gemeinschaftsgarten Ivone Maria Getúlios Leben veränderte
Die Situation im Osten der Stadt und deren Ursachen
Der Gemeinschaftsgarten Horta Sapopemba liegt im Osten der Stadt São Paulo. Die Gegend zwischen São Mateus und dem Ballungsgebiet Sapopemba befindet sich in einer prekären Situation, die historisch begründet ist:
„Mitte des 20. Jahrhunderts nahm die Industrialisierung in São Paulo Fahrt auf. Dementsprechend entstanden viele Arbeitsplätze. Vor allem aus dem armen Nordosten zog es unzählige Menschen gen Süden, in das entstehende Wirtschaftszentrum São Paulo. Auch als sich der Bedarf an Arbeitskräften abschwächte, ging der Zustrom Arbeitssuchender weiter“, erklärt die Autorin Christina Weise.
Heute gibt es in der Ostzone São Paulos kaum Jobs. Die Wohnsituation in diesem dicht besiedelten Gebiet ist teilweise dramatisch.
Am Rande einer Favela entsteht ein Gemeinschaftsgarten
Das 3.500 Quadratmeter große Areal, auf dem sich heute der Gemeinschaftsgarten befindet, war eine an eine Favela angrenzende, trostlose Brache oberhalb einer Erdölpipeline. Großflächige Schilder mit der Aufschrift “ATENÇÃO – Dutos Enterrados – Não acender fogueiras – Não jogar lixo ou entulhos” (ACHTUNG – Erdverlegte Rohrleitungen – Keine Feuer anzünden – Keinen Müll oder Bauschutt abladen) waren und sind auf der Fläche angebracht.
Um auf dem Gelände einen Gemeinschaftsgarten anlegen zu können, hat STÄDTE OHNE HUNGER mit dem Eigentümer, dem Erdölversorger Transpetro, einen Nutzungsvertrag für dieses Areal abgeschlossen. Wichtig für die Nutzung dieser speziellen Fläche ist das landwirtschaftliche Know-how von STÄDTE OHNE HUNGER, denn die Wurzeln der hier angepflanzten Gemüsesorten dürfen nicht zu tief in den Boden reichen.
Ivone Maria Getúlio koordiniert den Gemeinschaftsgarten Horta Sapopemba
13 Familien, die alle in unmittelbarer Umgebung leben, arbeiten im Gemeinschaftsgarten Horta Sapopemba. Koordiniert wird die Arbeit von Ivone Maria Getúlio, die in der Kleinstadt Borrazópolis, im Landesinneren des Bundesstaates Paraná, geboren und aufgewachsen ist.
Bereits als Kind half die heute 57-Jährige in der Landwirtschaft. Ihren Eltern, die etwas Land und einige Tiere besaßen, ging sie bei der Versorgung der Hühner und Schweine und bei der Arbeit auf dem Feld zur Hand.
Als junge Frau kam Ivone, die in Paraná nur die Grundschule besucht hatte, nach São Paulo, wo sie nach kurzer Zeit heiratete und Kinder bekam. „Mein Leben war immer sehr schwierig“, sagt Ivone. „Schon früh musste ich die Schule abbrechen, weil mich meine Eltern für die Feldarbeit brauchten“, erklärt sie.
Nach ihrer Hochzeit blieb die dreifache Mutter zuhause bei ihren Kindern und arbeitete, wenn sich ein Job fand, stundenweise als Verkäuferin. „Wir haben eigentlich immer um unsere Existenz gekämpft. Dass es unsere Kinder einmal besser haben, stand bei uns immer an erster Stelle“, führt sie aus.
Zuletzt verdiente Ivone ihren Lebensunterhalt damit, Einwegmaterialien wie PET-Flaschen und Kartonage in den Straßen zu sammeln, die sie für einen kleinen Obolus an Wiederverwertungs-Genossenschaften verkaufte.
Der Gemeinschaftsgarten gab Ivone eine neue Perspektive, denn sie kann heute in einem Bereich arbeiten, über den sie bereits seit ihrer Jugend viel weiß. „In der Landwirtschaft bin ich aufgewachsen. Da kenne ich mich aus. Der Gemeinschaftsgarten ist mein Leben. Er ernährt meine Familie und mich und schenkt mir viel Freude“, erklärt sie.