Aus der Perspektivlosigkeit zum erfolgreichen Landwirt
Francisco de Assis Netos Weg aus Pernambuco in den Süden Brasiliens
São Paulo war und ist ein Wunschziel von Zuwanderern aus dem Nordosten Brasiliens, auch wenn die Zahl derjenigen, die Arbeit in der florierenden Metropole suchen, in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen hat.
Francisco de Assis Neto, der aus dem Bundesstaat Pernambuco stammt, kam 1981 in die Stadt. Der heute 52-Jährige ist quasi in der Landwirtschaft aufgewachsen, denn er ging seinen Eltern seit frühester Kindheit zur Hand.
Kurz nach seiner Heirat begann er damit, seinen Schwiegervater, der in Suzano, einer Kleinstadt unweit der Stadtgrenze der Megacity São Paulo, als Landwirt tätig ist, zu unterstützen.
Schon bald entwickelte er den Betrieb weiter. Er baute unter anderem ein eigenes kleines Gewächshaus, in dem er Setzlinge produzierte, die er auf dem Markt verkaufte. So wurde STÄDTE OHNE HUNGER auf den Landwirt aufmerksam, denn die Organisation produzierte anfangs noch keine eigenen Setzlinge.
Für de Assis Neto, dessen Wunsch es war, seine eigene Landwirtschaft aufzubauen, ergab sich im Jahr 2012 die Möglichkeit, einen Hof in Agudo, dem Heimatort von STÄDTE OHNE HUNGER-Gründer Hans Dieter Temp, zu kaufen. 19.700 Euro sollte der angebotene Hof kosten, zu viel für den Landwirt, der über die Jahre 12.200 Euro angespart hatte.
Auf der Grundlage der langjährigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit entschloss sich STÄDTE OHNE HUNGER, de Assis Neto unter die Arme zu greifen und ihm einen Bankkredit über die Organisation zu ermöglichen, so dass er den Hof, wie in Brasilien üblich, bar bezahlen konnte.
De Assis Neto, der alle Raten fristgerecht zurückzahlte, wurde gleichzeitig Teilnehmer des von STÄDTE OHNE HUNGER im Jahr 2009 gestarteten Projekts Kleinbauern im ländlichen Raum. Heute betreibt der Vater dreier Kinder zusammen seine Frau Neide Fernandes de Assis seinen eigenen Hof in Agudo.
Ökologische Landwirtschaft in Südbrasilien: Francisco und Neide de Assis Neto überzeugen durch Produktqualität
Ein Reisebericht von Jonas Steinfeld
Francisco und Neide de Assis Neto haben sich aus der Armut der Peripherie São Paulos befreit und betreiben heute ökologische Landwirtschaft im Süden Brasiliens. Ihre Gemüse ist dort sehr beliebt – vorerst allerdings mehr aufgrund seines Geschmacks als wegen des biologischen Anbaus.
Francisco und Neide sind glücklich. Sie nehmen sich bei den Händen als ich sie frage, ob ich ein Foto der beiden machen darf. Wir stehen auf dem Acker ihres kleinen Bauernhofs. Stolz zeigen sie mir ihre Beete, auch wenn sie es etwas sonderbar finden, dass ein junger Deutscher sich so sehr für ihren Anbau interessiert.
Francisco zeigt mir einen Draht, den er um ein kleines Wäldchen gespannt hat. Er hatte ein Problem mit Karnickeln, die andauernd seine Salatpflanzen anfraßen. Auf dem Draht sei gerade so viel Strom, dass er die Karnickel abschrecke, sie aber nicht töte. Alles auf seinem Stück Land solle leben, sogar der Zaun um seine Felder. Daher hat er entlang des Zauns auch Bananenstauden gepflanzt.
Zwei große Teiche, die als Wasserreservoir und Fischteich dienen, hat er eigenhändig ausgehoben. Sechs Gewächshäuser hat er gebaut, hunderte von Beeten angelegt und nebenbei noch das baufällige Haus renoviert, das er zusammen mit dem Stück Land gekauft hat. Er lächelt bescheiden, wenn man ihm für diese beachtliche Leistung Respekt zollt.
Pestizide oder Herbizide möchte er nicht benutzen. Wozu auch, er pflanzt einfach Kräuter, deren Geruch die Schädlinge abhält, um seine Beete. In einer Ecke baut er Chilischoten an, aus denen er ein Mittel herstellt, das er auf das Gemüse spritzt, um die Insekten und Schädlinge fernzuhalten, die sich durch die Kräuterbepflanzung nicht abhalten lassen. Nur einmal, da hatte er ein großes Problem mit einer bestimmten Raupenart. Nichts half und so schaute er sich nach einem passenden Produkt um. Er fand ein biologisches Pflanzenschutzmittel, das auf einer Pilzart beruht. Dies sei zwar sehr teuer gewesen, aber immerhin sei es besser, als Gift auf seine Pflanzen zu spritzen.
3000 Salatköpfe produzieren Francisco und Neide pro Woche. Diese verkauft Francisco ausschließlich lokal – entweder an eine Kooperative, einen Supermarkt oder per direkter Lieferung an seine privaten Kunden. Ich begleite Francisco auf einer seiner Touren in einem alten Pickup, voll beladen mit Salat, Weißkohl, Petersilie und anderen Kräutern. Seine Kunden mögen ihn sehr, den Einwanderer aus dem entfernten Nordosten des Landes, der durch seinen dunklen Teint in diesem von deutschen Immigranten im 18. Jahrhundert gegründeten Dorf optisch heraussticht. Die Qualität seines Gemüses sei wirklich gut, erzählt mir ein älterer Herr in einem altertümlichen Deutsch, das sich hier über 100 Jahre erhalten hat.
Neben Salatsorten wie Eisberg oder Romana, Rucola und Endivie pflanzt das Ehepaar auch verschiedene Kohlsorten, Rote Beete, Paprika, Mais, Sellerie, Zwiebeln, Schnittlauch und Petersilie sowie Birnen, Trauben, Limetten, Orangen, Khaki und Maracuja an. Obwohl Francisco und Neide nur in kleinem Stil anbauen, sind insbesondere ihre Früchte in der Kleinstadt heiß begehrt. Vor allem die Maracujas gehen weg wie warme Semmeln.
Dass das Gemüse biologisch und ohne den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel produziert wird, findet bei den meisten Bewohnern Agudos aktuell noch wenig Beachtung. In dieser von Monokulturen und starkem Pestizid- und Herbizid-Einsatz geprägten Gegend hat sich das Bewusstsein über die Folgen dieser Art von Landwirtschaft noch nicht durchgesetzt. Zu abhängig sind die Klein- und Großbauern von den Konzernen, die ihnen Samen und Pflanzenschutzmittel stellen und mit der Ernte abrechnen.
Francisco und Neide lassen sich jedoch nicht beirren. Auch wenn Francisco die fehlende Wertschätzung seiner Bio-Produkte etwas stört, ist Verzweifeln oder gar Aufgeben keine Option. Dafür hat das Landwirt-Ehepaar schon zu viel geschafft. Eines Tages werden die Menschen in der Region ihr Bio-Gemüse wirklich zu schätzen wissen, da sind sich beide sicher.